Inhalt
- Michael Mayer, Dieter Mersch, Editorial, 1–3 [pdf]
- Johannes Bennke, Virgil W. Brower, Mediality/Theology/Religion: Aspects of a Singular Encounter, 5–20
Mediality/Theology/Religion
- Hent de Vries, Die erste und letzte Vermittlung: Notizen zum religiösen Dispositiv, 23–62
- Agata Bielek-Robson, Machina ex Deo: Game Theology in Kabbalah and Derrida, 63–84
- Katerina Krtilova, Beyond Writing. Intersections between Media Philosophy and Religion, 85–95
- Virgil W. Brower, Machine-Believers Learning Faiths & Knowledges. Bayesian Apparatuses, Living Numbers & the New Gospel of Artificial Intelligence, 97–121
- David Nowell Smith, The Ontotheologics of Personal ,Data‘, 123–138
- Konstantin Ocheretyany, Alexander Lenkevich, Alina Latypova, The Concept of Automaton: from Control to Care, 139–160
- Deniz Yenimazman, Political Theology and Turing Machines,
161–178 - Joseph Grim Feinberg, Emancipation and Old Media. The Media-
tion of Immediacy between Oral and Networked Society, 179–197 - Arantzazu Saratxaga Arregi, Zu gnostischen Motiven in der Erkenntnistheorie, 199–228
Rereading
- Michael Mayer, Medium Datur. Klaus Heinrichs Kritik der Identität als Initial einer religionsphilosophisch aufgeklärten Medienphiloso-phie, 231– 241
- Virgil W. Brower, Preface to Forenames of God. Enumerations and Incarnations of Ernesto Laclau toward a Political Theology of Algorithms, 243–251
- Ernesto Laclau, Von den Namen Gottes, 253–262
- About the authors, 263–265
2020 · Band 6
Das gesellschafts-, wissenschafts- und wirtschaftspolitische Groß-
projekt der Digitalisierung ist längst zum allgemeinen Platzhalter für eine Idee von Fortschritt geworden, die auf ein bloßes Bündel technischer Innovationen verkürzt worden zu sein scheint. Tatsächlich werden in Gestalt von Fragen technischer Formate und Formatierungen, der Implementierung autonomer Systeme, der Protokolle teletechnischer Vernetzungen u.a. grundlegende Fragen der menschlichen Kultur und Sozialität, des menschlichen Daseins wie des Seins im Ganzen nicht nur verhandelt, sondern stillschweigend entschieden. Unter dem Leitwort der Artifical Intelligence steht dabei gar die Frage einer technischen Mimesis mentaler, kognitiver oder neuronaler Prozesse im Raum, mithin einer auf algorithmische Prozessroutinen reduziblen Vernunft. Der Band sechs des Internationalen Jahrbuchs für Medienphilosophie widmet sich unter dem Titel digital / rational diesem Problemzusammenhang und befragt die Implikationen und Effekte einer digitalistisch halbierten Rationalität. Ihre Kritik verknüpft dabei die Kantische Frage nach deren
Legitimität und Reichweite mit der machtkritischen Frage nach den impliziten epistemischen Restriktionen technoökonomischer Systeme.
- ISSN 2194-7554 / e-ISSN 2196-6834
- Abonnement/Bezug: De Gruyter Verlag (Berlin/München/Boston)
- Bibliografische Informationen (DNB): Gedruckt
- Beziehende Bibliotheken (ZDB): Gedruckt / Online
Inhalt
- Editorial (Dieter Mersch, Michael Mayer), 9–14 [pdf]
- Giuseppe Longo, Brief an Alan Turing, 15–44
Digital / Rational
- Sigrid Weigel, Der konventionelle Code als buckliger Zwerg im Dienste der Emotion Recognition, 47–80 [pdf]
- Markus Rautzenberg, Matters of choice? Wahl und Entscheidung
in algorithmischen Kulturen, 81-94 [pdf] - Jakob Claus, Richard Groß, Einführung, 95–102
- Alexander R. Galloway, Die kybernetische Hypothese, 103– 130
- Astrid Deuber-Mankowsky, »Für eine Maschine gibt es kein echtes Virtuelles« Zur Kritik des Smartness Mandate mit Felwine Sarrs Afrotopia und Gilbert Simondons Philosophie der Technik, 131–146
- Marcus Burkhardt, Nicht-terminierende Verfahren, 147–162
- Michael Mayer, Die Geldform als Botschaft (Kapital als Medium III), 163–194
- Judith Siegmund, Affizierende Oberflächen, affektive Benutzung und algorithmische Rationalität, 195–202
- Bastian Weiß, Hermeneutik und maschinelles Lernen. Zur rationalen (Un-)Zähmbarkeit von Textdeutung, 203–218
- M. Beatrice Fazi, Digitale Ästhetik: Das Diskrete und das Kontinuierliche, 219–250
- Shane Denson, Diskorrelation und die Ästhetik der Kantendetektion, 251–264
- Natascha Adamowsky, Fauxtomation – Gedanken zu Geschichte und Ästhetik ›intelligenter‹ Technik, 265–278
- Martin Gessmann, Das Lächeln der Roboter: Was uns morgen in der Kunst bewegt, 279–298
Philosophien des Medialen
- Jörg Sternagel, Elisabeth Schäfer, Volkmar Mühleis, Performative
Philosophie und die Philosophie der Medialität, 301–312 - Jörg Sternagel, Andere Orte. Versuche der Teilhabe in technologischen Zeitaltern, 313–326
- Jessica Sequeira, Andere Paradiese. Poetische Ansätze zum Denken in einem technologischen Zeitalter, 327–334
Nachlass
- Volkmar Mühleis, Für eine topische Medienphilosophie, 337–324
- Rudolf Boehm, Metaphysik und Phänomenologie, 343–358
- Rudolf Boehm, Mein Schlusswort über Heidegger, 359–364
- Zu den Autor:innen, 365–370
2019 · Band 5

Praxis und Medialität
- Herausgeber des Bandes:
Dieter Mersch, Katerina Krtilova
Der fünfte Band des Internationalen Jahrbuchs für Medienphilosophie adressiert den sogenannten practical turn der Kultur- und Medienwissenschaften, der die theoretischen Grundlagen der Disziplinen seit ca. 10 Jahren nachhaltig transformiert hat. Vollzogen wird eine Abwendung von der klassischen Ontologie des Mediums, der Frage danach, was ein Medium sei, von der Reduktion auf eine Empirie der Einzelmedien oder der technologischen Überdetermination des Medialen bei einer gleichzeitigen Hinwendung zu einer konsequenten De-Ontologisierung des Medialitätsbegriffs und seiner Auflösung in eine Serie konkreter Praktiken. Medialität bildet dann keine an Eigenschaften, Dingen, Akteuren oder ähnliches gebundene Funktionalität oder Relationalität, sondern verflüchtigt sich in einen praktischen Pluralismus, der allererst das konstituiert, was das „Zwischen“, das Mediale, Vermittelnde oder Dritte ausmacht. Die Beiträge kreisen um unterschiedliche Grundbestimmungen des Praktischen wie auch des Theorie-Praxis-Verhältnisses, der Beziehung zu Experiment und Operativität sowie den pragmatischen Paradoxien der Künstlichen Intelligenz. Ergänzend finden sich neben Einzelstandpunkten im Jahrbuch auch die Beantwortung der Preisfrage „Ist der Posthumanismus ein Humanismus“ und ein Dossier zur Figur des Golems.
Inhalt
Praxis und Medialität
- Michael Mayer, An den Grenzen der Proposition und darüber hinaus (Einführung zu Emmanuel Lévinas’ Kant-Kommentar) , 17–27[PDF]
- Emmanuel Lévinas, Das Primat der praktischen Vernunft, 29–38
- D.N. Rodowick, Hannah Arendts Denkungsart, 39-57
- Kurt Röttgers, Anarchische Praxis im Medium, 59-66
- Christof Windgätter, Was war Theorie? Zur Eskalation von Praxis in Geistes- und Kulturwissenschaften, 67-85[PDF]
- Martin Ritter, Die Unmittelbarkeit des Mediums – Zur Aktualität der Medienphilosophie Walter Benjamins, 87-104
- Johanna Seifert, Praktiken, Techniken, Operationen –
Die praxeologische Wende in der Medien- und Kulturwissenschaft, 105-119 - Kaja Tulatz, Experimentieren und Erkennen – Medialität als blinder Fleck eines faktiven Verständnisses wissenschaftlicher Praxis?,
121-136 - Christoph Ernst, Künstliche Intelligenz und pragmatisches Metavokabular – Vorbemerkungen zu einer medienphilosophischen Rezeption von Robert B. Brandom, 137-158
Standpunkte
- Emmanuel Alloa, Das Unbehagen in der Transparenz, 161-188
- Alexander Gerner, Antlitzverluste. Zum kritischen Posthumanismus des Gesichts, 189-206
Preisfrage
- Andreas Beinsteiner, Ist der Post-Humanismus ein Humanismus – Versuch einer Antwort, 209-219
Dossier GOLEM
- Katerina Krtilova, Golem oder: die Grenzen des Machbaren,
223-227 - Jörg Sternagel, Das Golem-Projekt: Ethik der Kreativität, 229-235
- Kateřina Svatoňová, Fehler, Tricks und Käfer. Zwei Gespräche zwischen Künstler und Technik, 237-247
- Moritz Wehrmann, Captcha, 249-251
- Nadja Ben Khelifa, Das Wesen des Golems: Zwischen physis, nomos und techne, 253-268
- Caspar Battegay, Medialität und Magie. Der Golem zwischen Literatur und visueller Kultur, 269-287
- Zu den Autoren, 289-293
- ISSN 2194-7554 / e-ISSN 2196-6834
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2018 · Band 4

Ökonomie/Ökologie
- Herausgeber des Bandes:
Dieter Mersch, Michael Mayer
Der Begriff der ›Ökologie‹ hat im Zusammenhang mit Komposita wie Medienökologie, Ökotechnie und Technikökologie eine neue Konjunktur erfahren. Dabei fällt auf, dass im Kontext der Wiederaufnahme des Oikos, des ganzen Hauses und seiner Teile sowie der Oikonomia, der ›gesamten Schöpfung‹, medienökonomische Fragen allenfalls marginal behandelt werden. Unser Verdacht dabei ist ein doppelter: zum einen, dass die medienökologischen Theoriebildungen auf verkappten Netzwerktheorien beruhen, die zwar den Stand der gegenwärtigen Technologie widerspiegeln, dabei aber die Genese und Genealogie ihrer Begriffe ausblenden. Zum anderen, dass sie damit zugleich die Verfasstheit einer genuin kapitalistisch organisierten Ökonomie, die längst planetare Dimensionen angenommen hat, hartnäckig ignorieren. Der Band 4 des Internationalen Jahrbuchs für Medienphilosophie widmet sich genau diesem Zusammenhang.
Inhalt
- Jörg Sternagel, Einführung in Karl Marx: »Peuchet: vom Selbstmord«, 9–18
- Karl Marx, Peuchet: vom Selbstmord, 19–24
- Michael Mayer, Die Diskretion des Digitalen (Kapital als Medium II), 25–53
- Michael Mayer, »Und erlass uns unsere Schulden« – Zu David Graebers Genealogie von Schuld und Schulden, 55–59
- David Graeber, Schulden, Gewalt und unpersönliche Märkte. Polanyianische Meditationen, 61–99
- Marie-José Mondzain, »Wer die Ökonomie ablehnt, lehnt Ikonomie ab«, 101–120[PDF]
Oikos
- Beate Ochsner, Oikos und Oikonomia oder: Selbstsorge-Apps als Technologien der Haushaltung, 123–145
- Jens Schröter, Die originäre Umweltbedingung und ihre originäre Krisenhaftigkeit, 147–167
- Alexander Gerner, Oikos der Alterität. Drei Ouvertüren zu einer Ökonomie, Ökologie und Echologie der Aufmerksamkeit, 169–183
Oikologia
- Dieter Mersch, Ökologie und Ökologisierung. Befragung eines kritischen Topos, 187–219
- Erich Hörl, Die environmentalitäre Situation. Überlegungen zum Umweltlich-Werden von Denken, Macht und Kapital, 221–250
- Timothy Morton, Dunkle Ökologie. Für eine Logik zukünftiger Koexistenz, 251–267[PDF]
- Zu den Autoren, 269–271
- Preisfrage 2019, 273
- ISSN 2194-7554 / e-ISSN 2196-6834
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Über uns
Das Internationale Jahrbuch für Medienphilosophie ist 2013 einerseits aus der Arbeitsgruppe Medienphilosophie der Gesellschaft für Medienwissenschaft e. V., andererseits aus einer Serie von Tagungen an der Universität Basel auf Initiative von Prof. Dr. Georg Christoph Tholen unter Mitarbeit von Dr. Nadja Elia-Borer hervorgegangen. Es erscheint seit 2015 regelmäßig. Es steht unter einem festen Jahresthema und enthält zusätzlich Formate wie Relektüren klassischer philosophischer Texte unter medienphilosophischer Perspektive oder erstmalige deutsche Übersetzungen wichtiger internationaler Autorinnen und Autoren. Es wird herausgegeben von Prof. Dr. Dieter Mersch (Zürich) und Prof. Dr. Michael Mayer (Zürich).
Mitglieder der Redaktion
Dieter Mersch (Herausgeber) – Prof. für ästhetische Theorie und Leiter des Instituts für Theorie an der Zürcher Hochschule der Künste, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik. Arbeitsschwerpunkte: Medienphilosophie, Philosophische Ästhetik, Kunsttheorie, Bildtheorie, Musikphilosophie und Philosophie des 20. und 21. Jahrhunderts. Letzte Publikationen: Posthermeneutik, Berlin 2010; Ordo ab Chao/Order from Noise, Berlin/Zürich 2013; Epistemologien des Ästhetischen, Berlin/Zürich 2015. Zahlreiche Aufsätze zur Künstlerischen Forschung, Bildtheorie, Medientheorie, Technikphilosophie und Kritik algorithmischer Rationalität.
Michael Mayer (Herausgeber, Prof. Dr.) – Studium der Philosophie, Pädagogik, Psychologie, Soziologie und Religionswissenschaft/Theologie in Freiburg i. Br. und Berlin. Lehrte u. a. von 2008 bis 2016 Medienwissenschaft an der Universität Potsdam, von 2016 bis 2018 Medienwissenschaft an der Universität Konstanz und arbeitet derzeit am Institut für Theorie der Züricher Hochschule der Künste zu Fragen künstlicher und künstlerischer Kreativität. Arbeitsschwerpunkte: Medienphilosophie, Kapital als Medium, Medienethik der Toten. Publikationen u. a.: Humanismus im Widerstreit. Versuch über Passibilität (München 2012); Tarkowskijs Gehirn. Über das Kino als Ort der Konversion (Bielefeld 2012); Zone. Medienphilosophische Exkursionen (Zürich 2018). Melancholie und Medium. Das Schwache Subjekt, die Toten und die ununterbrochene Trauerarbeit (Wien 2019).
Katerina Krtilova (Lektorat) – Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theorie, Zürcher Hochschule der Künste und Koordinatorin des Doktoratsprogramms »Epistemologien ästhetischer Praktiken«. 2017 Promotion an der Bauhaus-Universität Weimar mit einer Arbeit zur Medienphilosophie Vilém Flussers. Forschungsschwerpunkte: Medienphilosophie und Medientheorie, das Verhältnis von Reflexion, Medialität und Performativität in der Philosophie, Literatur- und Filmtheorie des 20. und 21. Jahrhunderts und Schnittpunkte zwischen Technikphilosophie und Ästhetik. Publikationen u. a.: Medienanthropologische Szenen. Die conditio humana im Zeitalter der Medien (Hg., mit Christiane Voss und Lorenz Engell), Paderborn 2019; Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie, Band 5: Praxis und Medialität (Hg. mit Dieter Mersch), Berlin/New York 2019; Medienwissenschaft. Východiska a aktuální pozice německé filosofie a teorie médií (Hg., mit Kateřina Svatoňová, Prag 2016); »Can We Think Computation in Images or Numbers? Critical Remarks on Vilém Flusser’s Philosophy of Digital Technologies«, in: Flusser Studies 22/2016, www.flusserstudies.net.
Jörg Sternagel (Lektorat, Dr. phil. habil.) – Sommersemester 2021 Gastprofessor für Medientheorie/Medienwissenschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Seit Wintersemester 2020/2021 Akademischer Rat in der Medienkulturwissenschaft mit Schwerpunkt Digitale Kulturen an der Universität Passau. Wintersemester 2018/2019 bis Sommersemester 2020 Vertretungsprofessor für Medientheorie an der Berliner Technischen Kunsthochschule. Wintersemester 2019/2020 Habilitation Universität Konstanz, Venia Legendi Medienwissenschaft. Forschungsschwerpunkte: Alterität, Bildlichkeit, Medialität, Performativität. Jüngste Monografie: Ethik der Alterität. Aisthetik der Existenz (Wien 2020). Mitherausgaben: Journal Phänomenologie Heft 53, Schwerpunkt: Poesie (Wien 2020), Die Gegenstände unserer Kindheit. Denkerinnen und Denker über ihr liebstes Objekt (Paderborn 2019), Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie, Band 3: Pathos/Passibilität (Berlin/New York 2017), Techniken des Leibes (Weilerwist 2016), Kraft der Alterität. Ethische und aisthetische Dimensionen des Performativen (Bielefeld 2015), Paradoxalität des Medialen (München/Paderborn 2013), Acting and Performance in Moving Image Culture. Bodies, Screens, Renderings (Bielefeld 2012).
Lisa Stertz (Korrektorat, Satz, Website-Betreuung) – lebt als Künstlerin in Berlin. Zuvor Studium der Europäischen Medienwissenschaft (MA 2015), Universität Potsdam und mit einem Fulbright-Stipendium Studio/Performance am School of the Art Institute Chicago (MFA 2016). Publikationen: Kraft der Alterität. Ethische und aisthetische Dimensionen des Performativen (Bielefeld 2015), LOVE. – eine Projektarbeit zur Feststellung dass Liebe nicht erklärt, sondern nur erfahren werden kann (Saarbrücken 2016).
Wissenschaftlicher Beirat
Prof. Dr. Astrid Deuber-Mankowsky
(Ruhr-Universität Bochum)
Prof. Dr. Lorenz Engell
(IKKM Weimar)
Prof. Dr. Rainer Leschke
(Universität Siegen)
Prof. Dr. Mirjam Schaub
(Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle)
Prof. Dr. Josef Vojvodik
(Karls-Universität Prag)
Call for Papers 2018
Ökonomie / Ökologie
Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie
Band 4 · 2018
Der Begriff der ›Ökologie‹ hat im Zusammenhang mit Komposita wie Medienökologie, Ökotechnie und Technikökologie eine neue Konjunktur erfahren. Dabei ist auffällig, dass im Kontext der Wiederaufnahme des Oikos, des ganzen Hauses und seiner Teile sowie der Oikonomia, der ›gesamten Schöpfung‹, medienökonomische Fragen systematisch kaum behandelt werden. Unser Verdacht ist dabei, dass die medienökologischen Theoriebildungen auf verkappten Netzwerktheorien beruhen, die zwar den Stand der gegenwärtigen Technologie widerspiegeln, dabei aber die Genese der Begriffe und nicht zuletzt die spezifische Verfasstheit kapitalistisch organisierter Ökonomien ausblenden. Anlass genug, um das Thema aus philosophischer Perspektive im Internationalen Jahrbuch für Medienphilosophie aufzunehmen.
Das Jahrbuch ruft deshalb im Sinne eines offenen Calls zur Eingabe von Artikeln, Interventionen oder Stellungnahmen auf, die die Verbindung zwischen Ökonomie und Ökologie explizit zum Thema machen. Willkommen sind Beiträge, die den Konnex kritisch befragen, wiederherstellen, neu konturieren oder in andere Richtungen ausbuchstabieren.
Wir bitten bis zum 27. Februar 2017 um Zusendung einer Themenskizze von max. 2500 Zeichen (inkl. Leerzeichen) und einer Kurzbiografie von max. 800 Zeichen (inkl. Leerzeichen) an die E-Mail-Adresse: ed.ei1685934985hposo1685934985lihpn1685934985eidem1685934985bj@no1685934985itkad1685934985er1685934985
Zusagen mit allen weiteren Informationen zu Textumfang und -gestaltung erfolgen bis zum 20. März 2017. Absagen werden nicht verschickt. Alle angenommenen Beiträge unterliegen einem Peer-Review-Verfahren mit zwei GutachterInnen.
Auftakt
Das Internationale Jahrbuch für Medienphilosophie (De Gruyter) widmet sich allgemeinen medienphilosophischen Fragen und daran angrenzender Diskurse, insbesondere den Grundproblemen von Genesis und Geltung unterschiedlicher Medienbegriffe sowie der begrifflichen, paradigmatischen und methodologischen Begründung von Medientheorien. Dazu gehören Fragen der ›Ontologie‹, ›Anthropologie‹ oder ›Epistemologie‹ von Medien und Mediennetzen, der Medialität überhaupt und ihren medienethischen wie medienpolitischen Implikationen. Im ausdrücklichen Bewusstsein, dass philosophische Diskurse ebenso medial bedingt sind wie Mediendiskurse der philosophischen Grundierung bedürfen, versucht das Jahrbuch, Grundlagendiskussionen an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Medienwissenschaften zu initiieren und kritisch zu begleiten.
Call for Papers 2018
Band 4 · 2018 – Thema: Ökonomie / Ökologie
Einsendeschluss: 27. 2. 2017 [pdf]weiterlesen
2017 · Band 3

Pathos / Passibilität
- Herausgeber des Bandes:
Jörg Sternagel, Michael Mayer
Menschliche Existenzen konstituieren sich im pathos (πάθος), das heißt im Widerfahrnis, in ethischen und aisthetischen Dimensionen singulärer Beanspruchung und erfahrener Passivität, in sinngebenden Setzungen, wider Erwarten, im (Er-)Leiden, vom Anderen her gedacht. Der Andere setzt sich in seiner Singularität und fordert Priorität: nicht als Bild meines Denkens, sondern in leiblich situierter Differenz. Weil der Mensch immer schon im nicht überwindbaren Unterschied zu einem Anderen steht, ist er in sich selbst nicht erfüllt, sondern begehrend.weiterlesen
2017 · Band 3

Pathos / Passibilität
- Herausgeber des Bandes:
Jörg Sternagel, Michael Mayer
Menschliche Existenzen konstituieren sich im pathos (πάθος), das heißt im Widerfahrnis, in ethischen und aisthetischen Dimensionen singulärer Beanspruchung und erfahrener Passivität, in sinngebenden Setzungen, wider Erwarten, im (Er-)Leiden, vom Anderen her gedacht. Der Andere setzt sich in seiner Singularität und fordert Priorität: nicht als Bild meines Denkens, sondern in leiblich situierter Differenz. Weil der Mensch immer schon im nicht überwindbaren Unterschied zu einem Anderen steht, ist er in sich selbst nicht erfüllt, sondern begehrend. Dieses Begehren hebt sich nicht auf, sondern findet sich in der Übernahme von Verantwortung wieder, im Geben. Ein Geben, dem ein Nehmen und Nehmenkönnen noch vor allem Dank und aller Dankbarkeit entspricht, dem die bloße Bereitschaft zu nehmen und anzunehmen korrespondiert, bevor ich erkenne und überhaupt erkennen kann, was mir von wem wie und unter welchen Konditionen und mit welchen Erwartungen auch immer gegeben worden ist. Passibilität umschreibt somit jenes rätselhafte »Vermögen«, nicht und nichts zu vermögen als nur zu empfangen und für den Empfang empfindlich zu sein. Die Gabe des Anderen fordert so vor den moralischen Regularien der Dankesbekundung das Ethos einer Passibilität heraus, die jedweder Ökonomie von Geben und Nehmen und der ihr inhärenten Logik von Reziprozität und Ausgleich immer schon voraus liegt. Denn der Andere zwingt zum Vergleich des Unvergleichlichen und fordert so Gerechtigkeit ein. Er steht ständig bereits da und kommt jedes Mal zuvor. Er zeigt sich gegenwärtig und unendlich zugleich, existiert konkret und unfassbar, ist kraft seiner Andersheit nahe und unendlich fern. Das Selbst ist vermöge der Alterität des Anderen nicht bei sich, sondern dem Anderen gegenüber immer schon im Rückstand. Die Egozentrik des Selbst verliert sich sukzessive in dieser Alltäglichkeit. Sie besitzt auch im Bereich der Phänomene keinen sicheren Punkt mehr und fordert eine andere Haltung (ethos) ein. Sichtweisen und Perspektiven verschieben sich bereits in der Wahrnehmung (aisthesis) zur Ver-Antwortung.
Inhalt
Beiträge
- Robert Pfaller, Leidenschaften: Von der Empfindsamkeit zum Hunger nach Größe, 9–16
- Alex Arteaga, Architektur der Verkörperung – Umwelt, Sinn, Ästhetik. Ein künstlerisches Forschungsprojekt als phänomenologische Ästhetik, 17–29
- Juliane Schiffers, Erfahrungen von Passivität als (prekäre) Fundierungen des Selbst und die Haltung der Gelassenheit, 31–49
- Kathrin Busch, Ästhetiken radikalisierter Passivität, 51–79
- Jörg Sternagel, Pathologie des Leibes, 65–80[PDF]
- Elisabeth Schäfer, Hélène Cixous’ Life Writings – Writing a Life, Oder: Das Auto-/Biographische ist nicht privat, 81–98[PDF]
- Sabeth Kerkhoff, Für eine Kreolisierung der Theorie. Rhizomatische Fragmente, 99–114
- Josef Vojvodik, »Das Verschwundene kehrt zurück«: Zur Ikonopathie der Trauer, 115–135
- Emmanuel Alloa, Vom Stachel der Bilder, 137–162
- Christiane Voss, Philosophie des Unbedeutenden oder: Der McGuffin als affizierendes Medium, 163–184
Übersetzung
- Bernd Bösel, Einführung, 187–189
- Elena del Río, Kino und das Affektiv-Performative, 191–214
Diskussion
- Zu den Autoren, 235–237
Till Heilmann antwortet hier mit einem Beitrag auf die Replik von Erhard Schüttpelz des Jahrbuchs Band 3 und setzt damit die von ihm in Band 2 zur Kritik und Problematisierung eines Denkens in Operationsketten angestoßene Diskussion fort:
Till A. Heilmann
Der Klang der breiten Rille
〈1〉 Erhard Schüttpelz hat meinem Text zum Begriff der Operationskette die Ehre einer ausführlichen Replik erwiesen. Die große Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit seiner Lektüre und seiner (Gegen-)Argumentation verdienen eine ebenso ausführliche Erwiderung. Der gegebene Moment und die Textsorte gebieten aber eine kurze Antwort. Ich möchte deshalb hier nur einen knappen Kommentar zu Schüttpelz’ zentraler These liefern und einige kritische Anmerkungen zu dem von ihm vorgebrachten mediengeschichtlichen Beispiel der 12-inch single machen.
〈2〉 Eingangs sei festgehalten, dass ich Schüttpelz’ Einschätzung, es handle sich bei unseren Differenzen vielfach um Fragen nur der Formulierung, teile. Auf die subtileren Unterschiede, die er in dankenswerter Klarheit herausgearbeitet hat, will ich nicht eingehen (die Leserin bilde sich selbst ein Urteil). Unsere grundlegende Differenz in der Sache scheint mir jedoch so wichtig, dass ich versuchen möchte, meine Kritik deutlicher zu artikulieren, als mir dies im ersten Text vielleicht gelungen ist.
〈3〉 Schüttpelz verteidigt in seiner Replik insbesondere den Gedanken der Vorgängigkeit von Operationsketten vor, wie er sagt, »allen beteiligten Größen«. Zusammengefasst lautet mein Einwand gegen diese These, dass sich damit ein Versprechen auf theoretisch-methodische Innovation und Radikalität verbindet, welches in einzelnen Analysen als Feststellung fragloser Wahrheiten eingelöst wird, insgesamt aber zu einer fragwürdigen Generalisierung des Gedankens führt, die von medialen bzw. medientechnischen Aspekten eher ablenkt. Anders gesagt: Ich halte die Annahme der Vorgängigkeit von Operationsketten für offenkundig richtig (wo sie sich auf Selbstverständliches bezieht) und falsch zugleich (wo sie nämlich absolute Geltung beansprucht). Mir scheint, dass die Popularität, die das Konzept in der Medienwissenschaft gegenwärtig genießt, sich zu einem beträchtlichen Teil aus dieser Spannung zwischen dem Richtigen (das indes nicht neu ist) und dem Neuen (das meines Erachtens nicht richtig ist) speist.
〈4〉 Was zunächst die von Schüttpelz erläuterte praktische und historische Dimension der Priorität von Operationsketten anbelangt: Welche Wissenschaft, so möchte ich erwidern, hat je anderes behauptet, als dass dem Vorhandensein von Artefakten deren Produktion und Reproduktion (in Praktiken des Entwerfens, Herstellens, Standardisierens, Instandhaltens usw.) vorgängig ist? Mir ist kein medientheoretischer Ansatz bekannt, der das bestreitet. (1) So zutreffend die Feststellung für die Herausbildung jeweiliger Medien bzw. Medientechniken auch ist, so sehr frage ich mich also, worin das Neue und Radikale eines Nachweises dieser fraglosen Wahrheit in praxeologischen Analysen liegen könnte?
〈5〉 Aber Schüttpelz geht es, so mein Eindruck, letztlich auch nicht um Einzelheiten. Die theoretisch-methodische Innovation und Radikalität des Konzepts ergibt sich für ihn, wenn ich es recht sehe, vielmehr aus der Verabsolutierung der Idee der Vorgängigkeit. Die schwierige und nicht nur in der Medienwissenschaft viel diskutierte Frage nach dem ›letzten Grund‹ von Technik wird dadurch endgültig zugunsten der Praxis entschieden. Über den Fall je einzelner Medientechniken, -geräte, -formate usw. hinaus soll die Priorität des praktischen Vollzugs von Operationsketten als allgemeines und unbedingtes Prinzip gelten. Zum einen scheint mir an dieser Auffassung nicht nur bedenkenswert, wie die Frage nach dem ›letzten Grund‹ von Technik entschieden wird (eben mit Verweis auf Praxis), sondern dass sie überhaupt auf so eindeutige Weise entschieden wird. Zum anderen aber bedeutet die Annahme einer verabsolutierten Vorgängigkeit nichts weniger als einen ontischen Primat der Operation vor dem Ergebnis, des Handelns vor dem Gegenstand, des Machens vor dem Gemachten. Dieses Postulat, das den ›Grund‹ von Technik erklären will, lässt als solchen folgerichtig aber nur ein Operieren, Handeln oder Machen denken, das (weil es doch »allen beteiligten Größen«, mithin jeder Technik vorgängig sein soll) selbst nicht technisch ist. Es impliziert einen un-technischen, von Materialien, Geräten usw. quasi unbefleckten Ursprung der Technik im ›nackten‹ Tun.
〈6〉 Die Annahme einer ursprünglichen Setzung durch nicht technische Praxis, »eine[r] Thätigkeit, die kein Object voraussetzt, sondern es selbst hervorbringt«, (2) rückt das radikal gedeutete Konzept der Vorgängigkeit von Operationsketten, wie ich meine, in die Nähe eines sonderbaren Idealismus der reinen Tat. Es überrascht mich denn auch nicht, dass in praxeologischen Untersuchungen an der analytischen Leerstelle, welche der kategorische Ausschluss des Technisch-Artefaktischen gelassen hat, häufig die lange verschmähte Figur des handelnden Subjekts wiederkehrt – was uns zur heuristischen Dimension der Priorität von Operationsketten und zum Beispiel der 12-inch single bringt.
〈7〉 Man mag den Einwand, eine radikal aufgefasste Vorgängigkeit von Operationsketten impliziere einen nicht technischen Ursprung von Technik, als ›rein theoretisches‹ Argument abtun, welches für Analysen konkreter medialer Praktiken ohne Belang ist. Aber mit der »heuristischen Vorordnung« (Schüttpelz) von Operationsketten vor artefaktische Medien(-techniken) gerät der spezifisch mediale bzw. medientechnische Anteil an den untersuchten Zusammenhängen eben allzu leicht aus dem Blick. Es droht verloren zu gehen, was eine medienwissenschaftliche Perspektive, wenigstens nach meinem Verständnis, auszeichnet: die Aufmerksamkeit für das Unvermutete, Zufällige, Widerständige, Eigensinnige, Unbeabsichtigte und (noch) Unverstandene von medialen Substanzen, Formen, Geräten usw. Die von Schüttpelz vorgestellte exemplarische Analyse der Entstehung der Maxi-Single aus den Operationsketten re-editing und re-mixing legt darüber beredt Zeugnis ab.
〈8〉 In seiner Zusammenfassung der Ereignisse und Prozesse, die zuletzt zur 12-inch single geführt haben sollen, schreibt Schüttpelz: »Sagen wir, ein neues Medium sei entstanden, oder zumindest eine neue Form der Schallplatte: vorher gab es Singles und LPs, jetzt gibt es Twelve-Inches. Wie sind sie entstanden? Der DJ, seine Tänzer, seine Platten, seine Mischungen, aber auch die Produktpalette der Studios, der Bands und der Plattenfirmen haben sich zusammen verändert, und zwar nicht nur vorher/
〈9〉 Gegen diese historische Rekonstruktion möchte ich aus medienwissenschaftlicher Sicht drei Punkte einwenden.
〈10〉 Erstens wären wider die These einer praktischen und historischen Priorität der Operationsketten die den Operationsketten (in diesem Fall: dem re-editing, re-mixing usw.) selbst vorausgesetzten Medientechniken anzuführen. Das mögliche Gegenargument, diesen Medien seien wiederum Praktiken vorgängig, hilft nicht, die Frage nach der Entstehung der Maxi-Single (oder irgendeiner Technik) zu beantworten, sondern verschiebt die Frage bloß ins tendenziell Unendliche. Es mag kleinlich erscheinen, auf dieser Selbstverständlichkeit zu bestehen: Aber ohne bereits vorhandene Medien wie Tonbänder, Tonbandgeräte, Mischpulte usw. hätten Moulton und Rodriguez die neuen Operationen des Zusammenschneidens und Abmischens längerer Lieder gar nicht realisieren können.
〈11〉 Zweitens legt die Darstellung bei Schüttpelz nahe, die Wahl der längeren Dubplatte sei eine folgerichtige medientechnische Antwort auf die vorangegangenen praktischen Veränderungen im Abmischen längerer Aufnahmen: »Erst im letzten Schritt wurde ein Artefakt (der Plattenrohling) einem neuen Gebrauch und einer bereits eingespielten praktischen Handhabung (der Praxis einer Verlängerung von Singles durch DJ-Abmischungen für Diskos und Radio) angepasst.« Das aber ist historisch zumindest irreführend, denn das Lied, das Moulton und Rodriguez erstmals in eine 10-Zoll-Dubplatte schnitten, war kein verlängerter Disko-Mix, sondern Al Downings für den Verkauf und das Radio aufgenommene und abgemischte, gewöhnlich ›kurze‹ Single »I’ll Be Holding On«. (3) Wie Schüttpelz selbst schreibt: Es war ein »Unfall«. Die Single hätte auf eine 7-Zoll-Dubplatte gepasst (und kam dann auch regulär als 7-inch single in den Verkauf), nur war eine solche gerade nicht zur Hand. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so gemeint ist, aber Schüttpelz’ Erzählung der Episode mutet für mich erstaunlich finalistisch an: Erst gab es längere Abmischungen, dann griff man zur längeren Dubplatte – et voilà, die Maxi-Single! Das Medium wäre so auf ein (nachgeordnetes) instrumentelles Mittel für einen (durch handelnde Subjekte voraus-)gesetzten Zweck reduziert.
〈12〉 Drittens, und das ist der wohl wichtigste Punkt, lässt Schüttpelz die mediale Eigenart von 10- und 12-Zoll-Platten in seiner Rekonstruktion der Entstehung der Maxi-Single völlig außer acht – und damit zugleich die Frage, was für deren Erfolg medientechnisch verantwortlich war. Weshalb sich die Maxi-Single, nachdem sie im Tonstudio ›entstanden‹ war, als neues mediales Format am Markt, bei DJs und in Diskotheken etablieren konnte, bleibt ungeklärt. Eine solche Erklärung ist aber nur mit Bezug auf die spezifische Medialität der Platten zu leisten. Der entscheidende Hinweis taucht in der von Schüttpelz zitierten Aussage Moultons zwar auf, erfährt dann allerdings keine weitere Beachtung mehr: »›José told me he was out of 7-inch blanks and would have to give me a 12-inch. I said, ›Eeugh, that’s ridiculous.‹ So he said, ›I know what we’ll do; we’ll spread the grooves and make it louder.‹ And of course, when I heard it, I almost died.‹« Was die Maxi-Single für DJs und Diskotheken so geeignet machte und ihr den Erfolg sicherte, war, was man von ihr zu hören bekam: ihr Klang. Und dieser Klang war ein technischer Effekt der Materialität und Form der 10- oder 12-Zoll-Dubplatte, welcher in keiner Weise auf die zeitlich früheren Praktiken des längeren Abmischens von Liedern durch Moulton und Rodriguez (oder irgendwelche anderen Operationsketten) zurückzuführen ist.
〈13〉 Moulton störte sich an dem kleinen beschriebenen Bereich eines für 7-Zoll-Platten gedachten Liedes auf der großen 10-Zoll-Dubplatte. Rodriguez machte die Rille breiter, um die gesamte Fläche der Platte zu füllen. Das aber hieß, dass er die Grundlautstärke und den Dynamikumfang der Aufnahme vergrößern musste. (4) Der neue, ›bessere‹ Klang war eine nicht intendierte Folge der Angewiesenheit auf ein nicht gewünschtes, aber zufällig vorhandenes mediales Artefakt, das sein technisches Potential auf unerwartete Weise offenbarte. Maxi-Singles konnten im Vergleich zu den herkömmlichen, in ihrer Abmischung für den Radioempfang ›mittig‹ zugeschnittenen 7-Zoll-Singles (5) dank der größeren Aufnahmefläche mit gesamthaft mehr Volumen, kräftigeren Bässen und ausgeprägteren Höhen aufwarten – womit sie speziell für den Einsatz in Diskotheken taugten.
〈14〉 Natürlich kann man die Entstehung der Maxi-Single so rekonstruieren, wie Schüttpelz es tut. Der medienwissenschaftliche Charakter einer Rekonstruktion bestünde meiner Ansicht nach aber vor allem darin, den spezifischen medialen oder medientechnischen Anteil an der Geschichte ihres Erfolges herauszustellen: den Klang der breiten Rille.
Anmerkungen
(1) Um als Beispiel ausgerechnet einen oft als Technikdeterministen gescholtenen Autor anzuführen: Friedrich Kittler hat in seiner Untersuchung des »Aufschreibesystems 1800« die veränderten Praktiken des Lese- und Schreibunterrichts um 1800 analysiert, die aus dem Medium Alphabet wie aus den Leserinnen und Lesern erst das gemacht haben, was um 1800 diskursbestimmend war; siehe Friedrich Kittler, Aufschreibesysteme 1800/1900, München 1985. ▲
(2) Johann Gottlieb Fichte, »Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre« [1797], in: Fichtes Werke, Bd. I, Zur theoretischen Philosophie I, hg. von Immanuel Hermann Fichte, Berlin 1971, S. 451–518, hier S. 468.▲
(3) Schüttpelz stützt sich in seiner Darstellung auf Bill Brewster/
(4) Die entsprechende Passage im Interview mit Moulton lautet: »[H]e said; ›Just Tom, I don’t have any more 7″ blanks. All I have is like the 10″.‹ And I said, ›Well, if that’s the only thing – we’re gonna do it, what difference does it make?‹ So he cut one, I said, ›It looks so ridiculous, this little tiny band on this huge thing. What happens if we just like… can we just like, you know, make it bigger?‹ He goes, ›You mean, like spread the grooves?‹ And I said, ›Yeah!‹ He goes, ›Then I’ve got to raise the level.‹ I said, ›Well, go ahead – raise the level.‹ And so he cut it like at +6. Oh, when I heard it, I almost died. I said, ›Oh my God, it’s so much louder and listen to it. Oh! I like that – why don’t we cut a few more?‹. So it was by accident, that’s how it was created.« »This is a Tribute to… Tom Moulton«, www.disco-disco.com/tributes/tom.shtml (letzter Zugriff: 17.11.2016) ▲
(5) »Because 45s were geared for radio, they were all ›middle‹, and you couldn’t cut a lot of [bass] onto the record. A lot of records didn’t have the fidelity and sounded terrible.« »This is a Tribute to… Tom Moulton«, www.disco-disco.com/tributes/tom.shtml (letzter Zugriff: 17.11.2016). ▲
Till Heilmann antwortet hier mit einem Beitrag auf die Replik von Erhard Schüttpelz des Jahrbuchs Band 3 und setzt damit die von ihm in Band 2 zur Kritik und Problematisierung eines Denkens in Operationsketten angestoßene Diskussion fort:
Till A. Heilmann
Der Klang der breiten Rille
Erhard Schüttpelz hat meinem Text zum Begriff der Operationskette die Ehre einer ausführlichen Replik erwiesen. Die große Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit seiner Lektüre und seiner (Gegen-)Argumentation verdienen eine ebenso ausführliche Erwiderung. Der gegebene Moment und die Textsorte gebieten aber eine kurze Antwort. weiterlesen
3-links
- ISSN 2194-7554 / e-ISSN 2196-6834
- Abonnement/Bezug: De Gruyter Verlag (Berlin/München/Boston)
- Bibliografische Informationen (DNB): Gedruckt
- Beziehende Bibliotheken (ZDB): Gedruckt / Online
2016 · Band 2

Techne/Mechane
- Herausgeber des Bandes:
Dieter Mersch, Michael Mayer
Inhalt▼ Links▼
Die im Zentrum des Bandes stehenden Begriffe von techne und mechane deuten mit Bezug auf eine Philosophie des Technischen einen Gegensatz an. Beide verweisen zwar auf Techniken bzw. technische Artefakte; beide adressieren sie im Griechischen die Kunst bzw. Kunstfertigkeit; und beide verengen sich in ihrer Fortschreibung in den philosophischen Diskursen des Mittelalters und der frühen Neuzeit auf »Werkzeuge« bzw. deren Gebrauch sowie den »Mechanismus« – bis hin zum mechanistischen, d. h. kausalistischen Weltbild. Und dennoch meint die techne schon bei Aristoteles ein Wissen, das vor allem mit der poiesis, dem Schaffen oder Herstellen zu tun hat, während die mechane die Theatermaschinen bezeichnet, die für Illusion und die Effekte der Überwältigung sorgten.
Mit der Opposition von techne und mechane lotet das medienphilosophische Jahrbuch die Möglichkeiten und Grenzen der Technik und des Technischen aus, um deren Spanne zwischen Werken der Kunst und einem unverhohlenen Illusionismus auszuloten.
Inhalt
Beiträge
- Till A. Heilmann, Zur Vorgängigkeit der Operationskette in der Medienwissenschaft und bei Leroi-Gourhan, 7–29
- Dieter Mersch, Kritik der Operativität. Bemerkungen zu einem technologischen Imperativ, 31–52
- Hans-Christian von Herrmann, Der planetarische Maßstab der Technik Zur Geschichte einer absoluten Metapher, 53–66
- Lenore Hipper, Auf der Bühne der Schrift. Überlegungen zur Medienphilosophie der Schrift am Beispiel der hebräischen Konsonantschrift, 67–90[PDF]
- Julian Jochmaring, Das Unbehagen in der (Medien-)Ökologie. Relationalität, Posthumanismus und die Negativität des Umweltlichen, 91–112
- Philipp Kleinmichel, Zur Kosmologie des Posthumanismus, 113–124
- Michael Mayer, Kapital als Medium. Zu einer Kritischen Theorie des Medialen, 125–147[PDF]
- Volkmar Mühleis, Technologie und Mündlichkeit, 149–158
- Christian Voller / Gottfried Schnödl, Von der Herrschaft der Technik zum Parlament der Dinge. Ein Deutungsversuch, 159–182
- Michaela Wünsch, Mechane, Techne und Poiesis des Fernsehens.
Eine Literaturdiskussion, 183–205
Übersetzung
- Jörg Sternagel, Einleitung, 209–211
- Vivian Sobchack, »Susie Scribbles« : Über Technologie, techne und inkarniertes Schreiben, 213–248
- Zu den Autoren, 249–247
2-links
- ISSN 2194-7554 / e-ISSN 2196-6834
- Abonnement/Bezug: De Gruyter Verlag (Berlin/München/Boston)
- Bibliografische Informationen (DNB): Gedruckt
- Beziehende Bibliotheken (ZDB): Gedruckt / Online
2015 · Band 1

Einschnitte: Zur Genesis und Geltung medienphilosophischer Reflexionen
- Herausgeber des Bandes:
Dieter Mersch, Michael Mayer
Inhalt▼
Was Medien sind, welche Effekte sie auf das durch sie Hervorgebrachte, Vermittelte oder Dargestellte haben und wie diese Effekte zu beschreiben sind, ist eine der Grundfragen der Medienphilosophie. Eine andere, ebenso grundlegende Frage handelt von den Vokabularien, in denen wir von Medialitäten sprechen, von ihren Genesen und Geltungen, ihren Grenzen und Paradoxien. Medienphilosophie holt so den ausgebliebenen Grundlagendiskurs der Medienwissenschaften nach, fragt nach latenten begrifflichen Vorentscheidungen, nach Paradigmen medientheoretischer Reflexion, nach medialen Epistemologien oder sedimentierten Schichten unbedachter Philosopheme. Das äußerst dynamische Feld der Medienphilosophie bildet so ein kritisches wie produktives Unternehmen, das gleichermaßen in die Kultur- wie Bildwissenschaften, aber auch in die Sprach- oder Technikphilosophie ausgreift.
Inhalt
Einleitung
Beiträge
- Peter Bexte, Trennen und Verbinden. Oder: Was heißt und ?, 51–66
- Mira Fliescher, Signatur Malerei Alterität, 67–93
- Katerina Krtilova, Medienreflexiv. Zur Genese eines Verfahrens zwischen Martin Heidegger und Vilém Flusser, 95–118
- Hans-Joachim Lenger, Einschnitte des Technischen, 119–128
- Michaela Ott , Zeit- und Bewegtbild-Mediatisierungen im philosophisch-technischen Wandel, 129–142
- Claudia Reiche, Dziga Vertovs mediale Epistemologie des Intervalls, 143–161
- Leander Scholz, Die Spekulative Logik der Medien, 161–169
- Philipp Stoellger, Tod oder Leben – Unvermitteltes oder Unmittelbares? Zum Chiasmus von Theologie und Medientheorie, 171–191[PDF]
Relektüre
- Frank Haase, Metaphysik ist Medientheorie, 195–207
Übersetzung
- Dieter Mersch, Einführung, 211–213
- Samuel Weber, Theatrokratie, oder: Die Unterbrechung überleben, 215–242
- Zu den Autoren, 243–245
1-links
- ISSN 2194-7554 / e-ISSN 2196-6834
- Abonnement/Bezug: De Gruyter Verlag (Berlin/München/Boston)
- Bibliografische Informationen (DNB): Gedruckt
- Beziehende Bibliotheken (ZDB): Gedruckt / Online